Nano und der Nikolaus

Oktober 29, 2021 Aus Von Angelika Hüfner

Es schneit.

Kleine Schneeflocken wirbeln durch die Luft und lassen sich auf dem Waldboden nieder.

Nano, der kleine Zwerg drückt seine Nase an die Fensterscheibe des kleinen Zwergenhauses.

Noch einmal schlafen, dann kommt der Abend, auf den er sich eigentlich das ganze Jahr über freut.

Nikolausabend !

                              Weihnachten, Weihnachtsbaum, Winter                                                                                                      Ist das das Haus vom Nikolaus?

Doch seit ein paar Tagen, fängt er an zu zweifeln!

Warum wollt ihr wissen?

Dann lasst es euch erzählen.

Vor einiger Zeit bei einem Spaziergang durch den Wald, traf Nano den Marder.

Natur, Tiere, Allesfresser, Iltis

                                                                                                    Marder können so süß aussehen

Nano begrüßte ihn mit einem „Hallo“.

Der Marder schaute ihn an: „Hallo“ erwiderte er.

„Ich suche den Nikolaus“, sagte Nano zum ihm.

„Hast du ihn gesehen?“

„Warum“? entgegnete dieser.

„Na, weil doch bald Nikolausabend ist“ antwortete Nano.

„Ich brauche den Nikolaus nicht zu suchen“ entgegnete der Marder.

 „Warum nicht“, fragte Nano und schaute ihn gespannt an.

„War er schon da?“

„Nein. Aber du brauchst ihn auch nicht zu suchen.“

„Weshalb nicht“?

Ungläubig blickte Nano den Marder an.

„Weil in diesem Jahr der Nikolaus nicht kommt“, sagte dieser.

Nanos Gesicht verzog sich.

Seine Augen füllten sich mit Tränen.

„Das glaube ich nicht“, sagte er und unterdrückte ein Schluchzen.

„Der Nikolaus kommt jedes Jahr am 6. Dezember zu uns in den Wald.

Den Tieren bringt er allerlei Leckereien und uns Zwergen bringt er in unsere geputzten Stiefel Nüsse und Äpfel, etwas Süßes und einen Nikolaus aus Schokolade“.

„Na, wenn du meinst“ erwiderte der Marder und stand auf.

„Du bist klein und glaubst an alles, doch ich weiß viel mehr als du. 

Du wirst schon sehen, Nikolaus wird dieses Jahr in eure Zwergenstiefel nichts bringen“.

Ganz flink drehte er sich um und lief davon.

Stimmte es, was der Marder gesagt hat?

Kam der Nikolaus dieses Jahr nicht in den Wald zu den Zwergen?

Auch nicht zu den Tieren?

Nano konnte es nicht glauben. Das würde Nikolaus nicht machen! Doch Nano hatte sich nicht getraut, den Zwergen von der Begegnung mit dem Marder zu erzählen.

Aber der Marder würde doch nicht lügen?

Lügen darf man doch nicht, hatten die Zwerge gesagt.

Langsam begann es zu dämmern.

Nano legt noch etwas Holz in den Ofen.

Das Feuer wärmt die Zwergenstube.

Da, man hört die Stimmen der Zwerge an der Tür.

Sie kommen von ihrer Arbeit heim.

„Wir sind wieder da“, rufen alle im Chor und begrüßen Nano.

Schnell ziehen sie ihre Mäntel aus und legen Mütze und Schal auf die Bank.

„So“, sagt Justus, der große Zwerg, „nun wollen wir unsere Stiefel putzen, denn heute Abend müssen alle sauber vor der Türe stehen.

Wenn heute Nacht Nikolaus durch den Wald zu den Kindern geht, legt auch er uns etwas Schönes hinein“.

Die Zwerge holen Lappen, Bürste und Schuhcreme und beginnen vor dem warmen Ofen gemeinsam ihre Stiefel zu putzen.

Nano sitzt im Ohrensessel und schaut zu.

Justus blickt von seiner Arbeit auf.

„Warum  holst du nicht deine Stiefel?“  fragt er Nano.

„Ich putze sie nicht“ entgegnet er.

„Weshalb nicht?“

„Weil,   –  weil“, Nano druckst herum. Soll er jetzt sagen, was der Marder ihm erzählt hatte?

„Weil in diesem Jahr der Nikolaus nicht kommt!“ So nun war es heraus.

Alle Zwerge schauen ihn an.

„Woher weißt du das?“ fragt Linus.

„Weil mir der Marder davon berichtet hat.“

„Der Marder, so, so“, Linus verdreht die Augen.

„Jawohl“, entgegnet Nano und schaut ihn grimmig an.

„Der Marder weiß alles, weil der schon Groß ist“.

„Große wissen zwar viel“, entgegnet Justus, „aber sie können sich auch irren“.

„Aber nicht der Marder, denn der ist schlau!“

„Er ist nicht ehrlich“, erwidert Linus.

„Du kannst ihn nur nicht leiden“, entgegnet Nano und fängt an zu weinen.

„Streitet euch nicht“, lenkt Justus ein.

„Wenn du dem Marder glaubst und vertraust, dann putze deine Stiefel nicht. Wir anderen Zwerge dagegen glauben aber das Nikolaus, wie in jedem Jahr um diese Zeit, heute Nacht zu uns kommt.“

Pius, Linus und Kolo nicken und putzen weiter.

Nano steht auf und schaut aus dem Fenster.

Ihr werdet schon sehen, wer Recht hat, denkt er.

In der Nacht wird Nano wach.

Der Mond leuchtet durch das Fenster.

                                                            Mond, Sterne, Nacht, Traum, Landschaft

                                                                            Der Mond am Nachthimmel 

War Nikolaus schon da? überlegt er.

Ach was, der kommt ja dieses Jahr nicht.

Und wenn der Marder nicht die Wahrheit gesagt hatte und die Zwerge Recht haben?

Der kleine Zwerg zweifelt.

Leise, damit ihn die anderen nicht hören, steigt er aus dem Bett.

Auf Zehenspitzen läuft er die Treppe hinunter.

Seine schmutzigen Stiefel stehen ganz alleine unter der Bank.

Ach, denkt er, einen kann ich ja herausstellen.

Am Morgen stehe ich ganz früh auf, wenn alle noch schlafen und schaue als erster vor die Tür.

Dann sehe ich, ob mein Stiefel gefüllt ist oder leer.

Die anderen Zwerge bekommen bestimmt nichts mit.

Nano öffnet die Tür und stellt seinen schmutzigen Stiefel neben die anderen.

Beruhigt und zufrieden geht er die Treppe hinauf und legt sich ins Bett.

In dieser Nacht schläft Nano sehr unruhig.

Immer  wieder wird er wach und horcht.                                   

Waren da Schritte von schweren Stiefeln?  Hört man nicht ein Glöckchen klingeln?

Früh am  Morgen wacht er auf.

Die anderen Zwerge schlafen noch.

Die Neugierde hält ihn nicht mehr im Bett.

In seinen grünen Filzpantoffeln läuft er leise hinunter zur Haustür und öffnet sie.

                                                            Nano mit Nikolausstiefel – illustriert von Carlotta Fahrmeyer

Ein kalter Dezemberwind weht ihm ins Gesicht und wirbelt ein paar Schneeflocken ins Haus.

Sein Blick fällt auf die Stiefel und was sieht er?

                                                Nikolausstiefel, Stiefel, Nikolaustag

                                                                                                        Ein Stiefel mit allerlei Leckereien

Gefüllt mit allerlei Süßigkeiten, Äpfeln, Nüssen und einem großen Nikolaus aus Schokolade, stehen die Stiefel in der Reihe.

Also war Nikolaus doch da gewesen.

Nano jubelt innerlich und sein Blick fällt auf seinen Stiefel.

Doch was ist das?

Sein Stiefel steht etwas abseits der anderen.

Statt dem leckeren Nikolaus aus Schokolade, wie bei den anderen, steckt darin ein Zweig und an dem Zweig flattert im kalten Winterwind ein weißer Brief.

„Seht der Nikolaus war da!“

Nano hat gar nicht bemerkt, dass die anderen Zwerge erwacht und aufgestanden sind.

„Ach, nee“, Linus hebt Nanos Stiefel hoch.

„Was haben wir denn hier? Gehört er dir vielleicht?“ Er wedelt den Stiefel direkt vor Nanos Gesicht.

„Hast ihn doch heraus gestellt, schmutzig wie er ist. Aber es ist nichts drin.

Nur ein Zweiglein?“ Er fängt an zu lachen.

Nanos Gesicht wird traurig und Tränen kullern über seine Wangen.

„Gib ihn mir!“ Er springt hoch, um den Stiefel zu ergreifen.

„Was soll das? Was ist hier los?“ Justus ist hinzugekommen.

„Gib ihm dem Stiefel zurück!“ fordert er Linus auf.

Dieser gibt ihm Nano. Nano nimmt ihn und drückt ihn an sich.

„Was steht denn auf dem Brief?“ fragt Justus.

„Ich weiß es nicht. Ich kann doch noch nicht lesen!“ schnieft Nano.

„Soll ich ihn dir mal vorlesen?“ Der große Zwerg schaut ihn liebevoll an.

Nano nickt, zieht den Brief vom Zweig und gibt ihn hin.

        weihnachtskomposition - nikolausbrief stock-fotos und bilder
                                                            Hast du schon einmal einen Brief an den Nikolaus geschrieben oder gemalt?

Justus faltet ihn auseinander, räuspert sich und fängt an:

„Lieber Nano,

leider konnte ich in deinen Stiefel nichts hinein legen, da dieser sehr schmutzig ist.

Sicherlich hast du vergessen ihn zu putzen.

Heute Abend komme ich noch einmal durch den Wald und am Zwergenhaus vorbei.

Sehe ich deinen geputzten Stiefel vor der Tür, halte ich an und komme zu dir herein,

um auch dir etwas Süßes zu bringen.

Bis dahin. Dein Nikolaus.“

Alle Zwerge schauen Nano erwartungsvoll an. Würde er seinen Stiefel doch noch putzen? 

Nano nickt, nimmt seinen Stiefel an sich, geht ins Zwergenhaus und fängt an, ihn mit einem feuchten Lappen, zu reinigen.

Die Zwerge sind zur Arbeit gegangen. Geputzt und sauber steht Nanos Stiefel an der Haustür. Der andere steht im Haus.

„Noch mal Glück gehabt“, hatte ihm Linus ins Ohr gezischt, als dieser zur Arbeit ging.

Also gibt es den Nikolaus doch!

Der Marder hatte ihn angelogen!

Lügen darf man nicht, sagte immer Justus. Und Freunde belügen schon gar nicht.

Bis zum Abend war es ja noch eine Weile hin. Nano überlegt, ob er in den Wald gehen soll, den Marder zu suchen, um ihm zu erzählen, das Nikolaus doch in diesem Jahr gekommen ist und dass sogar ein Brief vom ihm in seinem Stiefel gesteckt hatte.

Ob Nikolaus schon beim Marder war, mit einer Leckerei?

Nano läuft zur Tür. Winterjacke, Stiefel, Mütze, Schal und Handschuhe an und schon steht er draußen. Eine leichte Schneedecke liegt über dem Waldboden.

Nano läuft los und seine kleinen Füße hinterlassen eine Spur im Schnee.

Die wenigen Schneeflocken liegen auf den Ästen und Zweige der kahlen Buchen und Eichen. Die Spitzen der Tannen sehen aus, als wenn sie kleine Mützen aufhätten.

Still und leise ist es im Wald.

Nano, der sich gut auskennt, geht zuerst zum Bau der Hasen.

„Hallo“, ruft er, „habt ihr den Marder heute schon gesehen?“

Mutter Hase hoppelt heraus.

„Sei still“, sagt sie. „Meine kleinen Hasenkinder sind gerade eingeschlafen.

Das Herumtollen im Schnee hat sie sehr müde gemacht.

Nein, den Marder haben wir heute nicht gesehen. Suchst du ihn?“

Sie schaut Nano an.

„Ja“, sagt er.

„Warum?“ erwidert die Hasenmutter.

„Weil ich ihm sagen muss, dass Nikolaus doch kommt. Heute Abend!

Und ganz bestimmt bringt er für alle Tiere Leckereien mit“.

„Nikolaus kommt doch jedes Jahr um diese Zeit“.

Verwundert blickt die Hasenmutter Nano an.

„Er bringt jedem Waldtier etwas ganz besonderes. Wie kommt der Marder darauf das Nikolaus nicht kommt?“

Die Hasenmutter schüttelt den Kopf.

Ja wie kommt der Marder darauf?

Nano denkt nach. Gefragt hatte er ihn nicht danach.

Er hatte ihm geglaubt.

Nachdenklich geht er weiter.

Das Schmatzen der Wildschweine lässt ihn aufhorchen.

„Habt ihr den Marder gesehen?“

Der Wildschweinvater hebt den Kopf und mit vollem Maul, dabei schmatzend, entgegnet er:“ Nein!“

Das wars. Wollte nicht gestört werden.

So geht Nano durch den Wald, aber nirgends ist der Marder zu sehen.

Auch keine Eichhörnchen, keine Waldmäuse, keine Vögel.

Die Eule schläft und will nicht gestört werden.

Selbst der kluge Hirsch, der sonst am Tag durch sein Revier zieht, kann Nano nicht finden.

Also macht er sich auf den Weg zurück zum Zwergenhaus.

Es fängt an zu dämmern, als die anderen Zwerge von der Arbeit kamen.

Im Haus ist es warm und gemütlich. Ein Feuer prasselt im Ofen.

Auf dem roten Sofa sitzt der kleine Nano.

„Na, schon aufgeregt? Meinst du Nikolaus kommt noch mal?“ Linus kann ein Grinsen nicht verkneifen.

„Ja, warum denn nicht?“, entgegnet Nano.

Doch aufgeregt ist er schon. Den ganzen Tag hat er sich überlegt, was Nikolaus heute Abend zu ihm sagt: würde er schimpfen, ihm keine Süßigkeiten geben?

War das die Strafe für den schmutzigen Stiefel?

„Ich glaube, er kommt!“

Tatsächlich, ein Glöckchen hallt durch den Wald.

Nano läuft zum Fenster und drückt seine kleine Zwergennase an die Scheibe.

Da! Ein Lichtstrahl fällt zwischen die Bäume.

„Brr“, hört man eine dunkle Stimme.

Der Schlitten hält an.

weihnachtsmann und seine rentier im wald - nikolaus auf dem schlitten stock-fotos und bilder

                                                                                                    Nikolaus im verschneiten Winterwald

Die Schritte von Nikolaus kommen immer näher.

Es klopft an die Tür.

Justus, der große Zwerg öffnet sie.

„Willkommen Nikolaus!“

„Guten Abend, ihr lieben Zwerge“, begrüßt Nikolaus alle anderen und schaut durch den Raum.

„Wo ist denn der kleine Nano?“

Ja, wo war denn auf einmal der kleine Zwerg?

Die anderen schauen sich um. Eben saß er doch noch an der Fensterscheibe.

„Ich bin nicht da!“

Ein zartes Stimmchen kommt hinter dem grünen Ohrensessel hervor.

Nano! Er hat sich versteckt. Aus Angst!

In der Hand hält er seinen anderen, geputzten Stiefel

„Aber, aber“, spricht Nikolaus ruhig und freundlich, „du brauchst dich nicht zu fürchten. Ich habe deinen sauberen Stiefel vor der Tür gesehen und so bin noch mal gekommen, um dich zu sehen und dir Süßigkeiten zu bringen.“

Nano hinter dem Sessel nickt.

Und wie er die Stiefel geputzt hatte. Erst nass und dann noch ganz doll trocken gerieben.

„Kannst du mir den anderen auch zeigen!“ fragt Nikolaus.

Ganz langsam und vorsichtig, den Stiefel mit beiden Händen fest um klammert, kommt Nano hinter dem Sofa hervor.

„Da bitte“! Er streckt Nikolaus den Stiefel entgegen.

Nikolaus nimmt ihn und betrachtet ihn von allen Seiten.

Er nickt. “Sauber, sauber“, sagt er und schaut Nano freundlich an.

„Kannst du mir jetzt noch ein kleines Gedicht auf sagen?“

Klar kann Nano ein Gedicht und nickt dabei:

„Advent, Advent ein Lichtlein brennt.

Erst eins, dann drei, dann vier, dann zwei,

dann steht das Christkind vor der Tür!“

Was war das?

Vor lauter Aufregung hat der kleine Zwerg die Zahlen im Gedicht vertauscht.

Doch Nikolaus berichtigt ihn nicht, im Gegenteil.

Er streichelt Nano über den Kopf und lobt ihn: „Das hast du sehr gut gemacht!“

Nano strahlt über sein kleines Zwergengesicht.

„So“, sagt Nikolaus, öffnet und beugt sich über seinen Sack, „das ist für dich, weil du deine Stiefel doch noch geputzt hast“.

Schokoladennikolaus, Nikolaus, Weihnachtsmann                                                                                                             Ein großer Schoki-Nikolaus

Er zieht einen ganz großen Nikolaus aus Schokolade heraus und überreicht ihn Nano.

„Danke“, sagt der kleine Zwerg.

„Und im nächsten Jahr sehe ich deine Stiefel sauber geputzt neben den anderen Zwergenstiefeln, oder?“

Nikolaus schaut ihn fragend an.

Nano nickt und verspricht es.

Mit seinem verschnürten Sack verabschiedet er sich von den anderen Zwergen und geht zu seinem Schlitten.

„Lauft meine Rentiere, lauft“, ruft er und bald ist das Glöckchen und das kleine Licht der Laterne in der Dunkelheit des Waldes verschwunden.

Die Zwerge gehen ins Haus zurück.

Nano steht noch eine Weile vor der Tür. Und obwohl es kalt ist, friert er nicht, denn:

er ist glücklich und zufrieden.

Vor allem weiß er nun, dass es Nikolaus gibt!

Der Marder hatte nicht die Wahrheit gesagt. Er hat gelogen!

Ob Nikolaus ihm heute Abend noch etwas bringen wird?